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Das erste sogenannte KZ
Das erste sogenannte KZ
Das erste sogenannte KZ
Vor 80 Jahren richteten die Nazis in Nohra ein Lager für politische Gegner ein.

Nohra/Weimar. Dass als Name für das letzte noch existierende Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen "Heimatschule Mitteldeutschland" in Nohra bis heute der Begriff "Kommandantenvilla" überliefert wird, lässt Christian Handwerck beim Hören immer etwas zusammen zucken.
Der einzige Befehlshaber, der jemals in dem Haus an der B7 wohnte, stand weder einer Militäreinheit noch einer Fliegerstaffel vor, sondern war der Kommandant des ersten sogenannten Konzentrationslagers im NS-Staat: Das Lager Nohra wurde am 3. März 1933 eingerichtet.
Genau 80 Jahre später ist es Christian Handwerck, Florian Kleiner und ihren Mitstreitern vom Geschichtsverein "Flugplatz Nohra" ein Anliegen, an dieses Lager zu erinnern. Sobald die Gemeinde Nohra ihre Genehmigung erteilt hat, soll hier eine von fünf Informationstafeln die Geschichte des ersten KZ umreißen.
Ihr künftiger Standort im heutigen Landschaftspark steht schon fest: "Hier befand sich die Südfassade der Heimatschule", erklärt Florian Kleiner. In ihrem Westflügel war 1933 für knapp fünf Monate eines jener Sammellager für Kommunisten und Sozialdemokraten untergebracht worden, die nach dem Reichstagsbrand und der nachfolgenden Verordnung zur Aushebelung der Grundrechte aus der Weimarer Verfassung für politische Gegner eingerichtet wurden.
"Der Begriff Konzentrationslager wurde wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt durch eine Weimarer Zeitung auf deutsch publiziert", sagt Handwerck.
Die Lager waren Provisorien, die Gefängnisse konnten die Massen an politischen Häftlingen nicht fassen.
Orte wie die Heimatschule, die sich als Sammelbecken für Mitglieder eines nationalistisch-paramilitärischen Vereins verstand und in der seit 1931 der Reichs-Arbeitsdienst untergekommen war, kamen den Nationalsozialisten da gerade recht: Das Personal war linientreu genug, um die Häftlinge zuverlässig im Sinne der Diktatur zu kujonieren.
"Für die Häftlinge wurden in dem Hauptgebäude (der Heimatschule, d. Red.) drei große Räume eingerichtet, die von einer aus Heimatschülern gebildeten Hilfspolizeitruppe scharf bewacht werden", berichtete am 7. März 1933 eilfertig die "Allgemeine Thüringer Landeszeitung" nach einem Lager-Besuch Fritz Sauckels. Als Thüringer Innenminister hatte sich der NSDAP-Gauleiter persönlich für diesen Standort stark gemacht, sagt Christian Handwerck.
Längst hat die Natur das Gelände zurück erobert. Handwerck lenkt den Blick nach Norden: "Würden die Wolken nicht so tief hängen, könnte man von hier aus die Gedenkstätte Buchenwald sehen."

Legendenbildung

Das Gebäude der Heimatschule selbst wurde bald nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetarmee abgerissen, regte aber noch lange Zeit die Bildung von Legenden an. Eine besagte, dass die Schule noch in den Siebzigerjahren genutzt worden wäre. "Das hat sich als falsch erwiesen." Nicht ganz von der Hand zu weisen seien dagegen die Geschichten von unterirdischen Verbindungsgängen zwischen der Schule und den ehemaligen Kasernen südlich der B7: "Das Heizhaus für die Schule stand auf dem Kasernengelände", sagt Florian Kleiner. "Die Rohre der Fernheizung waren im Boden verlegt und wurden von Wartungsgängen flankiert. In manchen Abschnitten konnte man aufrecht stehen."
Stück für Stück trägt der Flugplatz-Verein die ganze Geschichte dieses Ortes zusammen, der fast ein ganzes Jahrhundert lang militärisch genutzt wurde. Die KZ-Monate sind davon nicht zu trennen.
Zumindest ihr Wahlrecht durften die Häftlinge in Nohra ausüben. "Am 5. März 1933 ging der Dorf-Gendarm Rudolf Thiele mit der Wahlurne der Gemeinde Nohra unterm Arm zur Heimtschule", heißt es in der Dokumentation "Das Netz - Konzentrationslager in Thüringen". Es musste davon ausgegangen werden, "dass die parteidisziplinierten kommunistischen Häftlinge alle gewählt haben - und zwar kommunistisch." Damit bescherte die Gemeinde Nohra der KPD bei den Reichstagswahlen ein Rekordergebnis von 172 Stimmen.
260 Menschen durchliefen das Lager Nohra. Ein Häftling, der Kommunist Fritz Koch, kam am 17. März 1933 ums Leben.

Von Sabine Brandt

Bildunterschriften:
"Von der Flugzeugwerft zum Konzentrationslager" hat der Geschichtsverein "Flugplatz Nohra" eine Informationstafel erarbeitet. Den Entwurf dafür können Florian Kleiner und Christian Handwerck bereits zeigen. Foto: Sabine Brandt
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 20.02.2013 | Autor/in: Sabine Brandt | Tags: Heimatschule, KZ, Nohra, Verein, Weimar4034 Mal gelesen seit 03.03.2013