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Um den Flugplatz Nohra
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Um den Flugplatz Nohra
Um den Flugplatz Nohra
von Willy Walter, Ullrichshalben
Das hier nachstehend Geschilderte gab ich im Auftrag der gesamten Bauern von Nohra, Ulla und Hopfgarten. Soweit sie an der Frage mit interessiert sind, an die Thüringer Landeszeitung "Deutschland“ zur Veröffentlichung. Zahlreiche Bauern hatten ein Bittgesuch zur Veröffentlichung geschrieben, da sie schon langjährige Leser der "Deutschland“ seien, die ja eine "politisch neutrale“ Zeitung sei. Wie schwer sich die Bauern getäuscht hatten, ging aus einem Schreiben an mich hervor, in dem die Redaktion der "Deutschland“ erklärte, sie müsse von einer Veröffentlichung des Artikels absehen, da sonst die Verhandlungen gefährdet würden! Also die "Deutschland“ begünstigt den Landraum der kleinen Bauern öffentlich mit. Die Bauern werden nun mehr wissen, daß die "Deutschland“ abzubestellen haben. Die Bauern beauftragten mich nun, den Artikel mit vorstehender Einleitung an die Arbeiterpresse zu geben mit der Bitte, daß diese den Artikel bringt, damit die Öffentlichkeit auch die Kehrseite der Medaille sieht. Im Kreisrat zu Weimar habe ich bereits diese Frage aufgerollt, und hier sollen die Ansichten der Bauern folgen, die zwar nicht in allen Teilen meine Ansicht besitzen, aber doch im Interesse der kleinen Bauern wert sind, beachtet zu werden.
Set geraumer Zeit wird die Öffentlichkeit mit der Neueröffnung des Flugplatzes Nohra beschäftigt. Es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem nicht in der oder jeder Zeitung, in Versammlungen, Vorträgen usw. Auf die Notwendigkeit und Wichtigkeit dieses Flugplatzes hingewiesen wird. In einer Nummer der "Deutschland“ wurde ein Bericht gegeben von der Bölke-Feier in Weimar, wo die Frage des Flugplatzes ebenfalls einer Würdigung unterzogen wurde. Kurz und gut, alle nur hörbaren Stimmen setzen sich für den Flugplatz Nohra ein. Außer Weimar ist es noch die Nachbarstadt Erfurt, welche nur allzugern diesen Flugplatz, welcher ein Großflugplatz werden soll, in ihre Flur haben möchte.
Aus fortschrittlichen und wirtschaftlichen Gründen sei die Flugplatzfrage für Weimar eine unbedingte Notwendigkeit geworden. Diese Frage bedingt aber auch von der anderen Seite einer Betrachtung unterzogen zu werden. Wenn hier gegen das Projekt des Flugplatzes gesprochen wird, so keineswegs aus rückständlichen Gründen, sondern ebenfalls aus wirtschaftlichen, und vorallem aus sozialen Gründen. Aus wirtschaftlichen Gründen kann wohl die Frage so beantwortet werden, daß dieser Flughafen wohl nur als Zwischenlandungsplatz zu betrachten sein wird, denn der Haupt- und Gesamtgroßverkehr wird sich doch wohl in erster Linie in Schkeuditz bei Halle und Kassel, soweit Mitteldeutschland in Frage kommt, abwickeln. Es werden hier zweifellos Kosten ausgegeben, die sich nicht rentieren werden, abgesehen vielleicht von den "Geschäftchen“ einiger Sonderinteressenten, während auf der anderen Seite eher die Stadt Weimar, und aber auch die nähere Umgebung, soweit das Arbeitsvolk, einschließlich der Kleinbauern, eine Verteuerung der Verhältnisse erleben wird. Aber vor allem in sozialer Beziehung ist der Flugplatz Nohra geradezu eine Unmöglichkeit.
Der Flugplatz am Webicht soll nur noch als "Sport“-Flugplatz in Frage kommen, da er sich für so "große“ Zwecke nicht eigne, wie sie nun einmal "vorgesehen“, und deshalb muß der Nohraer Flugplatz wieder her. Nun, wenn dem schon so ist, warum läßt man dann der Nachbarstadt Erfurt nicht den Vorzug? Diese hat zweifellos in wirtschaftlicher und industrieller Beziehung weit mehr Bedeutung als Weimar. Es soll durchaus nicht mit diesen Zeilen die Stadt Weimar oder Thüringen heruntergesetzt werden, sondern es sollen die hier in Frage kommenden Gründe in sozialer Beziehung sprechen.
Was ist überhaupt der Flugplatz Nohra?
Es ist das beste Ackerland der ganzen Flur, sprichwörtlich: "das Herz der Flur“, alles kleinen Bauern gehörig. Keine Stimme läßt sich hören, was mit jenen geschehen soll, denen man durch diese Anlage ihre Existenz so gut wie vernichtet.
Der Flugplatz entstand 1916/1917, also während des Krieges. Das Land wurde den Bauern mit mehr oder weniger schönen Worten, Versprechungen usw. enteignet. Durch Urlaubsversprechungen wurden die Bauern geködert, aus dem Felde heimgeholt, und hier mußten sie unterschreiben. Taten sie es nicht freiwillig und welcher Bauer hängt nicht an seiner Scholle, so wurde mit Zwangsmaßnahmen gedroht.
Der Flugplatz wurde gebaut. Der Krieg war vorbei. Die Bauern bekamen ihr vordem eigenes Land, nicht etwa wie versprochen, wieder, sondern nur als Pachtland zu hohen Pachten in Bewirtschaftung. Man hatte es verstanden, das Land, ca. 270 Morgen, der Stadt Weimar und dem Fiskus ca. 180 Morgen einzuverleiben, da beide zu viel Schaden gehabt hätten!
Und die Bauern? Nun sie bekamen eben ihr vordem eigenes Land zum Pachte wieder. Das Land selbst wurde ihnen aber völlig wertlos bezahlt. Bekam doch ein Bauer sein Land erst im Oktober 1919 entschädigt. Also jetzt hatten aber wenigstens die Bauern das Land noch in Pacht. Doch ab 1. Oktober hat man ihnen das Land wieder weggenommen. Die Pachtverträge lauteten stets nur mit vierteljährlicher Kündigung. Jetzt soll der "Großflughafen“ Wirklichkeit werden. Rücksichtslos nahm man den Bauern ihr früheres, jetzt mit hohem Pacht bezahltes und bewirtschaftetes Land, weg. Nur ein Beispiel: ein Bauer von Nohra hatte vor dem Kriege ca. 9 Hektar = 36 Morgen Land. Durch Enteignung zum Flugplatz wurden ihm im Kriege ca. 7 Hektar = 28 Morgen weggenommen, nicht "freiwillig“, wie die jetzige Regierung so schön sagt. Nach dem Kriege erhielt er sein früheres eigenes Land von 7 Hektar als Pachtland wieder und jetzt hat es ihm wieder weggenommen, so daß er mit seinen auf ca. 40 Morgen Land eingerichteten Wirtschaftsgebäuden mit nur noch 2 Hektar und darun- [Anmerkung: hier scheint im Originaltext ein Abschnitt zu fehlen] und so geht es vielen der Beteiligten in den betreffenden Gemeinden.
Hört man auch nur eine Stimme, wie dem Bauer zu helfen sei? Regt sich auch nur eine Seite der "Flugplatzbefürworter“, was mit den ruinierten Kleinbauernwirtschaften werden soll? Nein! Der kleine Bauer ist nur zum Steuerzahlen da: sprechen Interessen einiger Weniger, so hat er zu schweigen. Warum gibt man den so schwer Betroffenen nicht Siedlungsland? Warum teilt man nicht event. für die Geschädigten eine Domäne auf? Diese sind zu Spottpreisen von der jetzigen Regierung verpachtet. Kostet doch die Domäne Schöndorf noch nicht einmal 70 Pfund, die Domäne Gaberndorf nicht ganz 30 Pfund und Domäne Lützendorf noch nicht 50 Pfund Weizen Pacht pro Morgen und Jahr. Die Bauern sind gern bereit, ihr übriges Land den verbleibenden Berufskollegen in den drei Orten zu geben, denn mit dem Rest können sie nicht existieren. Aber man soll ihnen auch die Möglichkeit geben, zu siedeln. Und nicht etwa am Ende der Welt, sondern sie sind und woillen Thüringer bleiben. Also wenn schon der Flugplatz nach Nohra soll und "muß“, dann soll man nicht ca. 50 Bauern ihre Existenz so schwer schädigen.
Der Steuerzahler hat auch Rechte, so gut er Pflichten hat.
Alle kleinen Bauern haben hier ein Interesse daran, den von den Verhältnissen Betroffenen beizustehen. Die Parole muß lauten:
"Wenn schon der Flugplatz nach Nohra soll, dann Einer für Alle und Alle für Einen! Volle Entschädigung! Boden gegen Boden! Sonst muß der Flugplatz nach Erfurt!“

Anmerkung: Dieser Artikel wurde den Unterlagen des Stadtarchivs Weimar über den Flugplatz Nohra entnommen.
Quelle: Volk (historisch) vom 22.11.1926 | Autor/in: Willy Walter | Tags: Flugplatz669 Mal gelesen seit 03.10.2023