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"Sache, wie der mit Vollgas rückentrudelt, die Rolle dreifach reißt!"
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"Sache, wie der mit Vollgas rückentrudelt, die Rolle dreifach reißt!"
Der Deutsche Kunstflugmeister Lochner zeigte über dem Fliegerhorst Weimar-Nohra alle Kunstflugfiguren der Welt
Gestern begegneten wir einem alten Bekannten. Gerade vom Himmel herunter kam er. Allerdings nicht zu Fuß und auch nicht mit Engelsflügeln auf dem Rücken, sondern den Steuerknüppel in der Hand und in einer schnittigen "Jungmeister" sitzend. Er ist auch Ihnen kein Unbekannter. Schon dem Namen nach, denn es gehört zur guten Allgemeinbildung zu wissen, wie die deutschen Kunstflugmeister heißen. Jawoll - Lochner ist dabei! Richtig, die holländische Kunstflugmeisterschaft hat er sich auch erflogen! Der Weimarer Einwohnerschaft aber ist er darüber hinaus längst kein Unbekannter mehr; schon seit der Zeit, als er im allgemeinen noch ein "Unbekannter" am Kunstflughimmel war. Damals wirkte er an der Flieger-Ausbildungsstelle Nohra mit Graf von Hagenburg zusammen, einem weiteren deutschen Kunstflugmeister, der sein eifrigster und begabtester Schüler wurde. Über des Letzteren erfreuliche Erfolge als Kunstflieger im In- und Ausland konnten wir schon mehrfach berichten. Um so größer ist aller Anteilnahme an dem bedauerlichen Unglücksfall, den er kürzlich in Amerika (in Cleveland) bei der Ausführung der schwierigen Flugfigur in der Rückenlage dicht über dem Erdboden erlitt, der aber glücklicherweise noch glimpflich abging. Dieser Rückenflug in Erdnähe ist eine der zahlreichen Lochner-Spezialitäten. Wir bekamen sie auch gestern am Spätnachmittag ganz unerwartet über dem Rollfeld der Fliegerhorstkommandantur Weimar-Nohra zu sehen. Das heißt - ein telephonischer Anruf hatte uns noch rechtzeitig verständigt, und mit uns begeisterte der Deutschen Kunstflugmeister unsere Nachwuchsflieger in Nohra. Da hockten sie in langer Reihe am Boden und staunten himmelwärts, wo ein Meister am Steuerknüppel ihnen die tollsten Dinger drehte. "Sache, was?! Wie der mit Vollgas rückentrudelt oder die Rolle dreifach reißt!" So manches Wunschgebet fliegt da wohl insgeheim zum Himmel: Wenn ich das erst auch einmal so könnte! Doch es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, erst recht noch kein Kunstflugmeister, es sei denn - er hatte es vorher jahrelang gründlich und unermüdlich geübt.
Im Vordergrund verfolgte der Kommandeur der Fliegerhorstkommandantur Weimar-Nohra, Oberstleutnant Stapelberg, mit seinen Offizieren der Luftwaffe mit Spannung den tollkühnen Figurenbau Lochners unter den Wolken. Der Leutnant der Reserve der Luftwaffe flog zunächst das Kürprogramm der Deutschen Kunstflugmeisterschaft. Dem Start waren einige flugtechnische Erläuterungen vorausgegangen, die von unseren jungen Fliegern mit besonderer Aufmerksamkeit aufgenommen wurden. Und dann brummte er ab bis auf etwa fünfhundert Meter Höhe. Schon dieses Kürprogramm ließ alle Fliegerherzen höher schlagen. Von der einfachen Rolle, vom Looping vor- und Rückwärts über den Rückenflug geriet alles mit einer Leichtigkeit, die verblüffte. In der vorgeschriebenen Zeit von zehn Minuten war dieses umfangreiche und schwierige Kürprogramm bewältigt.

Erst richtig warm geworden
Lochner dachte jedoch nicht daran, herunterzukommen. Im Gegenteil - nun schien er erst richtig warm geworden zu sein. Er hängte noch ein sogenanntes akademisches Kunstflugprogramm an, das von der gesteuerten Rolle rechts und links, der einfach gerissenen Rolle rechts, dem halben Überschlag nach oben mit halber Rolle rechts über den Rollenkreis in einer einzigen Zeitlupenrolle, den Fächerturn aus der Normal- zur Rückenlage, den Fächerrückenturn aus der Rücken- zur Rückenlage, den Immelmann-Rückenturn links, die gestoßene Rolle rechts und links zu Steilrolle mit anschließendem Wirbelturn rechts, zur Pirouette rechts, zum Looping nach vorn und halben Überschlag zur Rückenlage und darüber hinaus alle 47 Kunstflugfiguren zeigte, die zurzeit auf der Welt überhaupt geflogen werden. Das war natürlich ein seltener Genuß! Doch am Ende erschienen wir mehr "durchgedreht", als Lochner selbst, der frisch und munter nach allen Himmelsstrapazen der Kiste entstieg und uns, freundlich wie immer zulachte. Oberstleutnant Stapelberg gab dem Kunstfligmeister seine Anerkennung zum Ausdruck und dankte ihm für die Spannungsvolle halbe Stunde, die er uns hatte zuteil werden lassen.
Daß der deutsche Kunstflugmeister der Kamera nicht entging, war vorauszusehen. Daran konnte uns auch die inzwischen hereinbrechende Dämmerung nicht hindern. Und zu einem kurzen gemütlichen Plausch lange es mit Lochner auch noch. Lochner läßt selbstverständlich alle Weimarer Bekannten herzlich grüßen. Viele werden sich auch noch des großen Flugtages unserer Luftwaffe in Weimar-Nohra am 19.Januar 1936 erinnern, an dem über zweitausend Mark für das Winterhilfswerk in den Lüften "erbrummt" wurden. Damals kam Lochner von Dresden herüber und startete mit Graf von Hagenburg und dem inzsciehn nicht minder berühmt gewordenen Erfurter Wendel zum Kameradschaftlichen Kunstflugwettstreit. Wir hatten bereits in diesem Zusammenhang Gelegenheit, Lochner, kaum den Wolken entronnen, in ein freundschaftliches Kreuzfeuer immer wißbegieriger Reporter zu nehmen. Er erinnerte sich lachend daran. Wir freuen uns aber auch mit ihm der indessen errungenen Erfolge. Von Dresden ist er inzwischen als Leiter der Fliegerausbildungsstelle nach Alt-Lönnewitz übergesiedelt. Vom Korpsführer des NGFR., Christiansen, ist er zum Führer der Deutschalnd-Kunstflugkette bestellt worden, die er mit Graf von Hagenburg und einem tüchtigen Nachwuchsflieger Olzmann fliegen wird. Sie soll vor allem bei Großveranstaltungen der Partei gestartet werden und mit einmaligen Kunstfliegerischen Leistungen aufwarten, als da beispielsweise die im Verband geflogene doppelt gerissene Rolle wäre. "Die macht uns keiner nach!" schloss Lochner den Plausch schlicht ab, "wenn bei solchem dichten Flug ein Griff nicht um Millimeter sitzt, gibt es unweigerlich Bruch, und zwar üblen!" Er sagte das ohne Überheblichkeit und mit der unerschrocken abwiegelnden Selbstsicherheit eines Mannes, der weiß was er will. Wir wünschen ihm zum Abschied weiterhin guten Erfolg. Er dankte lachend und hängte wohl , wenn auch unausgesprochen, nach - unberufen toi, toi, toi..
Bruno Hans Hirche

Bildunterschrift:
Oberstleutnant Stapelberg im Gespräch mit dem deutschen Kunstflugmeister Lochner; Eigener Bilddienst (Aufn.: Hirche)
Quelle: Thüringer Gauzeitung (historisch) vom 17.09.1937 | Autor/in: Bruno Hans Hirche395 Mal gelesen seit 20.11.2023